BMF zur Neufassung des § 4 Nr. 18 UStG zum 01.01.2020

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Mit dem „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromo­bilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vom 12.12.2019 wurde der § 4 Nr. 18 Umsatzsteuergesetz (UStG) neu gefasst. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom 14.02.2023 Hinweise zur Anwendung der Neuregelung gege­ben und in diesem Zusammenhang den Umsatzsteueranwendungs­erlass (UStAE) geändert.

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Der mit Wirkung zum 01.01.2020 neugefasste § 4 Nr. 18 UStG lautet:

㤠4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

(…)

18. eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbun­dene Leistungen, wenn diese Leistungen von Einrichtungen des öf­fentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die keine systemati­sche Gewinnerzielung anstreben, erbracht werden. Etwaige Ge­winne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrach­ten Leistungen verwendet werden. Für in anderen Nummern des § 4 bezeichnete Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht;

(…).“

In seinem aktuellen Schreiben formuliert das BMF den Abschnitt 4.18.1 voll­ständig neu und definiert dabei unter der Überschrift „Umfang der Steuerbefreiung“ zunächst den Begriff der eng mit der Sozialfür­sorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen im Sinne der Vorschrift folgendermaßen:

Unter eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbun­dene Leistungen fallen sowohl Leistungen, die im Rahmen von Maß­nahmen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unmittelbar an die hilfsbedürftigen Personen erbracht werden, als auch solche Leistungen, die zwar nicht unmittelbar an die hilfsbedürftigen Perso­nen erbracht werden, jedoch für die Umsätze im Bereich der Sozial­fürsorge und der sozialen Sicherheit unerlässlich sind (…)); eine Ver­tragsbeziehung zu der hilfsbedürftigen Person selbst muss nicht be­stehen.

Bei den Leistungen soll es insbesondere um Leistungen an wirtschaft­lich hilfsbedürftige Personen gehen. Als Beispiele nennt der geän­derte UStAE die Leistungen

– der Schuldnerberatung im außergerichtlichen Insolvenzverfahren

– der „Tafeln“

– der Frauenhäuser (§ 36a SGB II)

– der Bahnhofsmission

– der Mitternachtsmission

– der Beratungsstellen für Ehe- und Lebensfragen

– im Zusammenhang mit der Migration von Menschen

sowie

–  die Beratung und Hilfe für Obdach- und Wohnungslose

– die Beratung für Angehörige drogen- oder alkoholabhängiger Menschen

–  die Beratung bei Fragen zu Mütterkuren, Mutter-Kind- oder Vater-Kind-Kuren

–  die Beratung und Hilfe für Haftentlassene und Prostituierte.

Die Leistungen der Zentralstellen im Bundesfreiwilligendienst fallen nach Ansicht des BMF nur dann unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 18 UStG, wenn die dabei vertraglich gebundenen Einsatzstellen ihrerseits Leistungen erbringen, die als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicher­heit verbunden anzusehen sind und nicht in anderen Bereichen (z.B.  Umweltschutz, Sport etc.) tätig sind.

Der geänderte Anwendungserlass weist noch einmal auf den im Gesetz geregelten Umstand hin, dass die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 18 UStG bei Leistungen, die in den Bereich einer anderen Rege­lung des § 4 UStG fallen (Jugendhilfe, Altenhilfe, Behindertenhilfe etc.), nicht greift.

Der Abschnitt 4.18.1 UStAE konkretisiert weiterhin die in § 4 Nr.18 UStG formulierte Anforderung an den Leistungserbringer. Neben Ein­richtungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts kommen nämlich nur „andere Einrichtungen“ in Frage, „die keine systemati­sche Gewinnerzielung anstreben“. Das genannte Kriterium muss für „sämtliche Tätigkeiten desselben Unternehmers“ erfüllt sein.

Der Tatsache, dass es in der Praxis nur schwer trennscharf nachzu­weisen sein wird, ob ein Unternehmen eine „systematische Gewinn­erzielung anstrebt“ oder nicht, versucht der Anwendungserlass durch folgende am Gesetzestext orientierte Formulierung gerecht zu werden: „Eine Einrichtung ohne systematische Gewinnerzielung kann jedoch auch dann vorliegen, wenn sie zwar systematisch da­nach strebt, Überschüsse zu erwirtschaften, sie diese jedoch nicht als Gewinn an ihre Mitglieder ausschüttet, sondern für die Durchfüh­rung ihrer Leistungen verwendet (…).“

Bei gemeinnützigen Körperschaften, die Leistungen gem. § 4 Nr. 18 UStG erbringen und ihre Überschüsse ganz oder teilweise auf ihre ebenfalls gemeinnützigen Gesellschafter oder an andere steuerbe­günstigte Körperschaften übertragen (z.B. gemäß § 58 Nr. 1 oder Nr. 3 AO) ist bei den in Gesetz und Anwendungserlass gewählten For­mulierungen unklar, ob sie die Anforderungen des § 4 Nr. 18 UStG an den Leistungserbringer erfüllen. Dies sollte jeweils mit dem zustän­digen Finanzamt geklärt werden.

Unklar ist auch, inwieweit die Steuerbefreiung für nicht gemeinnüt­zige gewerblich tätige Einrichtungen gilt, die zwar Gewinne erzielen, diese aber regelmäßig nicht ausschütten, sondern reinvestieren.

Ob ein Finanzgericht oder der Bundesfinanzhof die hinsichtlich der Verwendung erzielter Gewinne unterschiedliche Formulierung in Gesetz („zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen““) und Anwendungserlass („für die Durch­füh­rung ihrer Leistungen“) aufgreift, werden erst die zukünftigen ge­richtlichen Auseinandersetzungen zeigen.