Bundessozialgericht zur Sozialversicherungspflicht von Stiftungsvorständen

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Die sozialversicherungsrechtliche Stellung von Organträger/innen juristischer Personen (Geschäftsführer/innen, Vorstandsmitglieder, Aufsichtsrät/innen) ist regelmäßig Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen den betroffenen Körperschaften bzw. Organträger/innen und den Trägern der Sozialversicherung, insbesondere der Rentenversicherung. Das Bundessozialgericht hatte im Rahmen seines Urteils vom 23.02.2021 (BSG, B 12 R 15/19 R) die Gelegenheit wahrgenommen, über den Einzelfall hinaus gehende Grundsätze zur sozialversicherungsrechtlichen Stellung eines Stiftungsvorstands zu formulieren.

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Der sozialversicherungsrechtlich maßgebliche Begriff der „Beschäftigung“ ist in § 7 (1) SGB IV formuliert:

§ 7 Beschäftigung

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(…)

Das BSG sah im oben genannten Urteil für ein Mitglied des Vorstands einer Stiftung eine solche Beschäftigung für gegeben an. Die Klägerin – eine rechtsfähige gemeinnützige Stiftung – hat als einziges Organ einen aus drei Personen bestehenden Vorstand und wird durch jeweils zwei Vorstandsmitglieder gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Der Vorstand beschließt grundsätzlich mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Eines der Vorstandsmitglieder – und um dessen Beschäftigungsverhältnis ging es in dem vorliegenden Fall – war in den Streitjahren für die strategische Ausrichtung, die Projektförderung sowie die Investition des Stiftungskapitals zuständig. Er übte, wie auch die anderen Mitglieder des Vorstands, seine Tätigkeit laut Satzung ehrenamtlich aus. Es bestand lediglich Anspruch auf Aufwandsersatz, einschließlich einer Vergütung für Zeitaufwand. Konkretes ergab sich aus einer Geschäftsordnung sowie ergänzenden Vorstandsbeschlüssen. Der pauschalen Tätigkeitsvergütung lag ein Stundensatz von 75 Euro zugrunde, die jährlich Vergütung betrug in den Streitjahren zwischen 20.000 Euro und 60.000 Euro.

Die Stiftung und das betroffene Vorstandsmitglied beantragten bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) eine Statusfeststellung, in deren Ergebnis die DRV feststellte, dass das betroffenen Vorstandsmitglied seine Tätigkeit im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübte und dem gemäß der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterliege.

Widerspruch, Klage vor dem Sozialgericht und  Berufung beim Landessozialgericht (LSG) waren im Kern erfolglos, gegen das Urteil des LSG legte die Stiftung Revision ein.

Das BSG wies die Revision zurück. Es sah die Tätigkeit des Stiftungsvorstands für die Stiftung als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 SGB IV an und begründete seine Ansicht wie folgt:

1. Zunächst setze im Grundsatz die Zuordnung einer Tätigkeit „nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit (…) voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffen erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden“.

2. Dabei ist zunächst „vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen“.

3. Diese Maßstäbe gelten grundsätzlich auch im Falle von Organträgern juristischer Personen. Auch sie können abhängig beschäftigt sein, obwohl sie arbeitsrechtlich nicht als Arbeitnehmer gelten.

4. Wird die Vorstandstätigkeit „ehrenamtlich“ ausgeführt, führen „Aufgaben und Tätigkeiten, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung einer ein Ehrenamt ausführenden Person und auch nicht für jedermann frei zugänglich sind, (…) regelmäßig nicht zu der in § 7 Abs. 1 SGB IV umschriebenen persönlichen Abhängigkeit“. Allerdings erhalte – so das BSG – die ehrenamtliche Tätigkeit „ihr Gepräge durch ihre ideellen Zwecke und Unentgeltlichkeit“.

5. Auf Basis dieser grundsätzlichen Einordnung von Beschäftigungsverhältnissen bei Organmitgliedern einer juristischen Person kommt das BSG für den vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass der Stiftungsvorstand im Sinne des § 7 (1) SGB IV abhängig beschäftigt war:

– als eines von drei Vorstandsmitgliedern und an die Bestimmungen der Satzung und des Stifterwillens gebunden war das Vorstandsmitglied als Beschäftigter „durch die funktionsgerecht dienende Eingliederung“ in den Betrieb der Stiftung in seinem Beschäftigungsverhältnis persönlich abhängig

– die Zahlung einer festen jährlich Vergütung ohne das eine selbständige Tätigkeit u.a. charakterisierende Unternehmerrisiko spreche ebenfalls für Vorliegen einer Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne;

– die Höhe der jährlichen Vergütung sei mit den Grundsätzen der Ehrenamtlichkeit nicht vereinbar, die sich im Wesentlichen an der fehlenden Erwerbsabsicht und als Normativgedanke des Vereins- und Stiftungsrechts an der Unentgeltlichkeit orientiere (vgl. hierzu § 27 (3) Satz 2 BGB: „Die Mitglieder des Vorstands sind unentgeltlich tätig.“)