Genügt die gesetzliche Regelung zur virtuellen Mitgliederversammlung? – Jein

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Dauerhafte gesetzliche Regelung zur virtuellen Mitgliederversammlung? – Jein

Im Rahmen der COVID-Pandemie hatte der Gesetzgeber übergangsweise die Möglichkeit geschaffen, virtuelle Mitgliederversammlungen abzuhalten, auch ohne ausdrückliche Grundlage in der Vereinssatzung. Seit August 2022 war diese Regelegung jedoch nicht mehr in Kraft. Im März 2023 hat der Gesetzgeber einen neuen § 32 Abs. 2 BGB eingeführt. Der bisherige Abs. 2 ist nunmehr Abs. 3.

Die Regelung lautet wie folgt:

(2) Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.

Hieraus ergeben sich nun folgende Varianten:

  1. Das Einberufungsorgan, in der Regel der Vorstand, beruft entweder eine Präsenz- oder eine hybride Versammlung ein. Eine rein virtuelle Versammlung kann das Berufungsorgan zunächst nicht einberufen.
  2. Die Mitgliederversammlung beschließt mit einfacher Mehrheit, dass das Einberufungsorgan künftige Mitgliederversammlungen auch rein virtuell einberufen kann.

Zunächst Präsenz- oder hybride, dann erst virtuelle Mitgliederversammlung

Es bedarf also zunächst einer Präsenz- oder hybriden Versammlung und eines Beschlusses der Mitgliederversammlung, um zukünftig virtuelle Mitgliederversammlungen durchführen zu können. Das Einberufungsorgan kann eine rein virtuelle Versammlung auf Grundlage der neuen gesetzlichen Regelung folglich nicht ohne das Vorliegen dieser Voraussetzungen einberufen.

Die Ermächtigung kann sich auf eine einzelne, aber auch auf alle künftigen Versammlungen beziehen. Die Ermächtigung kann durch Beschluss der Mitgliederversammlung auch wieder zurückgenommen werden. Da es sich ausweislich des Wortlauts nur um eine Ermächtigung handelt, liegt die Entscheidung über eine virtuelle Versammlung im Ermessen des Einberufungsorgans. Ein Mitglied hat also weder Anspruch auf eine hybride noch auf eine virtuelle Durchführung der Mitgliederversammlung.

Elektronische Kommunikationsmittel

Die Neuregelung gibt keine bestimmten elektronischen Kommunikationsmittel vor. Die Wahl des Kommunikationsmittels liegt also im Ermessen des Einberufungsorgans. In der Regel wird es sich um Video- oder Telefonkonferenzen handeln. Chatrooms dürften aber ebenso hierzu passen wie andere Formen elektronischer Kommunikation, solange eine Mehrwegekommunikation in Echtzeit gewährleistet ist. Der Austausch von E-Mails dürfte diese Vorgaben nach unserer Ansicht eher nicht erfüllen.

Rechteausübung in der Mitgliederversammlung

In der Ladung zur hybriden oder virtuellen Versammlung ist anzugeben, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. Was hierunter genau zu verstehen ist, bleibt offen. Einerseits wird es nicht erforderlich sein, die Grundlagen des Internets zu erläutern. Andererseits wird man erwarten können, dass das gewählte technische Verfahren, insbesondere die eingesetzte Software, so bezeichnet werden, dass es für die Vereinsmitglieder verständlich wird. Insbesondere das technische und organisatorische Vorgehen bei Abstimmungen bedarf einer Erläuterung. Die bloße Angabe „die Mitgliederversammlung erfolgt im Wege einer Videokonferenz“ genügt daher den gesetzlichen Anforderungen nicht.

Satzungsregelung weiterhin zu empfehlen

Nach unserer Auffassung empfiehlt sich auch weiterhin die Aufnahme einer Satzungsregelung. § 32 BGB ist sog. nachgiebiges Recht und kann dementsprechend durch entsprechende Regelung in der Satzung angepasst werden (vgl. § 40 BGB). Für die Aufnahme einer Regelung in die Satzung spricht insbesondere, dass in diesem Fall dauerhaft die Möglichkeit einer virtuellen Versammlung verankert werden kann. Die im Gesetz angelegte Ermächtigung kann hingegen auf einzelne Mitgliederversammlungen beschränkt sowie durch Beschluss der Mitgliederversammlung mit einfacher Mehrheit wieder aufgehoben werden. Das ist im Regelfall eine andere als die satzungsändernde Mehrheit.