Die neue Wohngemeinnützigkeit im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024
Der Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz sieht eine Änderung des § 52 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) vor, durch die ein neuer gemeinnütziger Zweck eingeführt werden soll, die sogenannte Wohngemeinnützigkeit.
Während der Referentenentwurf noch eine Neuregelung im Bereich der Mildtätigkeit (§ 53 AO) vorsah, soll es nun eine neue Nr. 27 im Zweckkatalog des § 52 Abs. 2 AO geben. Warum das bedeutsam ist, s.u.
Die neue Regelung soll lauten (Hervorhebungen von C.O.X.):
„27. die Förderung wohngemeinnütziger Zwecke; dies ist die vergünstigte Wohnraumüberlassung an Personen im Sinne des § 53. § 53 Nummer 2 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bezüge nicht höher sein dürfen als das Fünffache des Regelsatzes der Sozialhilfe im Sinne des § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch; beim Alleinstehenden oder Alleinerziehenden tritt an die Stelle des Fünffachen das Sechsfache des Regelsatzes. Die Hilfebedürftigkeit muss zu Beginn des jeweiligen Mietverhältnisses vorliegen.“
Im Entwurf der Gesetzesbegründung wird im Einzelnen ausgeführt, wie die Regelung – aus Sicht der Regierung – zu verstehen sein soll.
Wohnraumüberlassung als ideeller Zweck
Mit der Neuregelung wird – bei entsprechender Aufnahme des Zwecks in die Satzung – eine den Vorgaben entsprechende Vermietung eine Form der steuerbegünstigten Zweckverwirklichung darstellen und wird damit dem Zweckbetrieb zuzuordnen sein. Tatsächlich entstehende Verluste können dann mit anderen satzungsgemäß zu verwendenden MItteln ausgeglichen werden. Eine nicht den Vorgaben entsprechende Vermietung stellt keine satzungsgemäße Zweckverwirklichung dar, sondern ist als steuerbegünstigte Vermögensverwaltung einzuordnen. Verluste in der Vermögensverwaltung können jedoch zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen. Eine Verlustverrechnung mit satzungsmäßig zu verwendenden Mitteln wäre nicht zulässig.
Durch die Aufnahme in den Zweckkatalog muss die Körperschaft nicht zusätzlich auch mildtätige Zwecke verfolgen. Das wäre nach dem Referentenentwurf erforderlich gewesen. Anders herum reicht die Förderung mildtätiger Zwecke allein nicht aus, wenn die Körperschaft sich auf Ziff. 27 berufen will. Insofern müsste die Satzung der Körperschaft, die die Wohngemeinnützigkeit fördern möchte, in jedem Fall angepasst werden.
Vergünstigte Wohnraumüberlassung
Eine vergünstigte Wohnraumüberlassung liegt vor, wenn die Miete dauerhaft unter der marktüblichen Miete angesetzt wird. Anderenfalls liege keine Unterstützungsleistung der jeweiligen Körperschaft vor. Eine starre Grenze, um wie viel die Miete sich von der marktüblichen Miete unterscheiden muss, ist gesetzlich nicht geregelt.
Ob die Miete unter der marktüblichen Miete liegt muss jedoch nur zu Beginn des Mietverhältnisses und bei Mieterhöhungen geprüft werden. Es ist also nicht erforderlich, eine laufende Prüfung der marktüblichen Miete vorzunehmen. Eine vergünstigte Miete liegt nach dem Entwurf jedenfalls dann vor, wenn die jeweilige Wohnung zu einem Mietzins vermietet wird, der nur die tatsächlichen Aufwendungen einschließlich der regulären Absetzung für Abnutzung deckt und keinen Gewinnaufschlag enthält. Auch wenn der Gesetzesentwurf dies nicht ausdrücklich formuliert, kann mit Blick auf die gesetzliche Regelung allerdings auch im Falle eines Gewinnaufschlags noch eine vergünstigte Vermietung vorliegen, wenn die Miete – trotz Aufschlages – unterhalb der marktüblichen Miete liegt.
Begünstigte Personen
Anders als in § 53 Nr. 2 AO soll die Einkommensgrenze in der Neuregelung nicht auf das 4-fache des Regelsatzes der Sozialhilfe beschränkt werden, sondern auf das 5-fache; bei Alleinstehenden oder Alleinerziehenden das 6-fache anstelle des 5-fachen. Die Bundesregierung geht davon aus, damit rund 60 Prozent der Haushalte und damit auch die entsprechenden Haushaltseinkommensgruppen zu erreichen. Der Regelsatz der Sozialhilfe liegt derzeit bei EUR 1.012,00 für Bedarfsgemeinschaften und bei EUR 563,00 für Alleinstehende (jeweils ohne Kinder), sodass insoweit eine Bedürftigkeit bis zu einem Brutto-Haushaltseinkommen von EUR 5.060 bzw. EUR 3.378 (jeweils ohne Kinder) gegeben ist.
Zeitpunkt der Bedürftigkeitsprüfung
Die Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit sind ausweislich des Entwurfs nicht fortlaufend, sondern nur zu Beginn des jeweiligen Mietverhältnisses nachzuweisen. Ein Anstieg der Einkommensverhältnisses über die genannten Grenzen hinaus gefährdet also die Gemeinnützigkeit nicht und hat auch keine Konsequenzen für die Mieter:innen. Dies stellt eine Abweichung zu den Regelungen des § 53 AO dar, lässt sich aber aus Sicht der Gesetzesbegründung aufgrund des mietrechtlichen Schutzes der Bedürftigen kaum anders regeln.
Nun wird abzuwarten sein, ob im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch Änderungen des Entwurfs erfolgen werden (z.B. engere Fassung des begünstigten Personenkreises; periodenweise Überprüfung von Bedürftigkeit und Miethöhe; Einführung einer Fehlbelegungsabgabe etc.).
Berlin, 08.07.2024
Til Pörksen, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und für IT-Recht