Mit der in 2020 vollzogenen Änderung der Abgabenordnung wurden auch die Kriterien neu bestimmt, die das Erfordernis der „Unmittelbarkeit“ der Zweckerfüllung bei gemeinnützigen Körperschaften konkretisieren. Unter anderem wurde dabei das Instrument des „planmäßigen Zusammenwirkens“ in § 57 (3) AO eingeführt. Eine Debatte in der praktischen Umsetzung dieser Vorschrift hat sich zu den satzungsmäßigen Voraussetzungen des „planmäßigen Zusammenwirkens“ entwickelt. Das Finanzgericht Hamburg hat nun ein erstes Urteil in diesem Zusammenhang gefasst. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und liegt zur Revision beim Bundesfinanzhof.
Gemäß § 57 (1) AO muss die steuerbegünstigte Körperschaft ihre Zwecke unmittelbar, und dies soll nach der Vorschrift heißen: „selbst“ verwirklichen. Nach der neuen Vorschrift kann dieses „selbst verwirklichen“ aber auch dadurch geschehen, dass eine von ihrer konkreten Zweckumsetzung her zunächst nicht gemeinnützigen Körperschaft die Steuerbegünstigung erlangt, indem sie mit einer bereits steuerbegünstigten Körperschaft „planmäßig zusammenwirkt“. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass eine Körperschaft für eine steuerbegünstigte Körperschaft die Buchhaltung übernimmt, ihr Räume überlässt, für sie Gutachten erstellt oder Reinigungsdienste erbringt. Dabei muss sie insgesamt die steuerbegünstigten Zwecke verfolgen, die von der steuerbegünstigten Körperschaft verfolgt werden, für die sie tätig wird. Zusätzlich muss sie die sonstigen Voraussetzungen der Steuerbegünstigung erfüllen.
So kann also eine Kapitalgesellschaft steuerbegünstigt sein, deren Tätigkeitsfeld in Verwaltungs- und Reinigungsdienstleistungen besteht, wenn sie mit dieser Tätigkeit „satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren Körperschaft, die im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 erfüllt, einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht“ (§ 57 (3) AO).
Der vom Bundesfinanzministerium im Anschluss an die Gesetzesänderung geänderte Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) konkretisiert die Gesetzesformulierung „satzungsgemäß“ folgendermaßen: „Das Zusammenwirken mit anderen Körperschaften zur Verwirklichung des eigenen steuerbegünstigten Satzungszwecks muss in der Satzung als Art der Zweckverwirklichung festgehalten sein. Die Körperschaften, mit denen kooperiert wird, und die Art und Weise der Kooperation müssen in den Satzungen der Beteiligten bezeichnet werden.“ (AEAO zu § 57 AO, Abschnitt 8). „In den Satzungen der Beteiligten“ soll dabei bedeuten: in den Satzungen aller Körperschaften, die planmäßig kooperieren, sowohl in den Satzungen der Körperschaften, die (Service)Leistungen erbringen, als auch in den Satzungen der Körperschaften, die diese Leistungen empfangen, auch wenn diese Körperschaften bereits aufgrund ihrer sonstigen Zweckverfolgung als steuerbegünstigt anerkannt sind.
Das Finanzgericht Hamburg hatte in 2023 in einem Fall zu entscheiden (FG Hamburg, 26.09.2023, 5 K 11/23), ob sich die satzungsmäßigen Anforderungen des Anwendungserlasses aus dem Gesetzestext und den zusätzlich zu Rate zu ziehenden Gesetzesmaterialien ergeben oder ob der Anwendungserlass im Falle des § 57 (3) AO über die zulässige Gesetzesinterpretation hinausgeht.
Die Klägerin – eine GmbH – war mit dem Zweck gegründet worden, Verwaltungsdienstleistungen (Finanzbuchhaltung, Rechnungswesen) gegenüber einer steuerbegünstigten Stiftung zu erbringen. Die Stiftung selbst ist an der GmbH nicht beteiligt. Laut Gesellschaftsvertrag verfolgt die GmbH ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke. Die Zwecke sollen verwirklicht werden „durch planmäßiges Zusammenwirken mit der A-Stiftung, … in Form der Erbringung von Service- und Dienstleistungen im Bereich der Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen.“
Das Finanzamt erließ zunächst einen Feststellungsbescheid gem. § 60a AO, in dem es bestätigte, dass die GmbH die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Abgabenordnung an die Satzungen steuerbegünstigter Körperschaften erfüllt. Die Stiftung ihrerseits änderte jedoch ihre Satzung nicht, nahm also die Formel vom „planmäßigen Zusammenwirken“ nicht in die Beschreibung der Umsetzung ihrer Satzungszwecke auf. Daraufhin hob das Finanzamt den Feststellungsbescheid auf. Den dagegen erhobenen Einspruch wies das Finanzamt als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht Hamburg gab der gegen die Einspruchsentscheidung erhobenen Klage der GmbH statt und stellte fest, dass sich das sog. „doppelte Satzungserfordernis“ aus § 57 (3) AO nicht ableiten ließe.
Zur Begründung weist das Finanzgericht zunächst darauf hin, dass es bei der Überprüfung der Erfüllung satzungsmäßiger Voraussetzung gem. § 60a AO allein auf die Satzung jener Gesellschaft ankommt, deren Satzung Gegenstand der Überprüfung ist. Auf die Satzung einer anderen Gesellschaft, mit der die zu überprüfende Gesellschaft kooperieren will, komme es nicht an.
Wenn eine Körperschaft also satzungsgemäß ihre Zwecke gem. § 57 (3) AO durch „planmäßiges Zusammenwirken“ mit einer steuerbegünstigten Körperschaft verfolgen will, ist ihr – wenn sie darüber hinaus die übrigen satzungsmäßigen Voraussetzungen der Abgabenordnung erfüllt – ein Feststellungsbescheid gem. § 60a AO zu erteilen. Dem steht nach Auffassung des Gerichts nicht entgegen, dass diese Kooperation nicht aus der Satzung der bereits aus anderen Gründen als steuerbegünstigt behandelten Körperschaft hervorgeht, mit der kooperiert werden soll.
Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung des Gerichts auch nicht aus dem Wortlaut des neuen § 57 (3) AO. Grundlage der Auslegung der Vorschrift müsse der „objektivierte Wille“ des Gesetzgebers sein, „wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den er gestellt ist“.
Der „objektivierte Wille“ des Gesetzgebers lässt sich – so das Gericht weiter – durch Auslegung ermitteln, und zwar
– aus dem Gesetzeswortlaut selbst („Grammatikalische Auslegung“)
– aus dem gesetzlichen Zusammenhang der Vorschrift („systematische Auslegung“)
– „aus dem die Vorschrift prägenden Regelungszweck (teleologische Auslegung)“
– „sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung)“.
Unter Berücksichtigung der genannten Auslegungsmethoden kommt das Gericht insgesamt zu dem Ergebnis, dass es „bei der leistungsempfangenden Körperschaft (…) keiner Satzungsänderung dahingehend (bedarf), dass auch in dieser das planmäßige Zusammenwirken mit der leistungserbringenden Körperschaft aufgenommen wird (sog. ‚doppeltes Satzungserfordernis‘)“.
Im abschließenden Teil seines Urteils geht das Gericht auf ein Argument des Finanzamts ein, demzufolge „eine strenge Auslegung“ des § 57 (3) AO erforderlich sei, „da die Norm sonst beihilferechtlich äußerst bedenklich wäre“.
Das Gericht teilt diese Bedenken nicht, da „durch die Neuregelung des § 57 Abs. 3 AO keine ‚neue Beihilfe‘“ im Sinne des Artikel 108 (3) AEÜV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) eingeführt worden sei. Allerdings beschränkt sich das Gericht bei dieser Betrachtung nur auf im Beihilfezusammenhang tatsächlich eher unbedenkliche Beispielsfälle. Ob diese Betrachtung bei allen sonstigen denkbaren Gestaltungsfällen der sehr umfangreich anwendbaren und noch recht neuen Vorschrift zum gleichen Ergebnis kommen wird, werden die kommenden Jahre – und möglicherweise kommende vor Gericht auszutragende Streitfälle – erst noch zeigen müssen.
Das Gericht hatte die Revision zugelassen, diese wurde auch eingelegt und beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen V R 22/23 geführt.