GEM Aktuell Nr 26 2019

Onlinemagazin für Gemeinnützigkeitsrecht

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FG Nürnberg / BFH: Produktschulung kein Unterricht

Die Unterscheidung zwischen „Beratung“ und „Unterricht“ ist nicht nur für die Unterscheidung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit von Bedeutung. Sie spielt für gemeinnützige Körperschaften auch eine wichtige Rolle für die Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung der entsprechenden Umsätze und deren Zuordnung zum Zweckbetrieb. Das Finanzgericht Nürnberg hatte die Unterscheidung am Beispiel von Produktschulungen zu treffen. Der Bundesfinanzhof hat das Urteil inzwischen bestätigt.

Gegenstand des Urteils des FG Nürnberg vom 17.01.2018 (FG Nürnberg 5 K 391/17) ist die Klage eines Schulungsleiters gegen die Beurteilung seiner Einkünfte als gewerbliche durch das zuständige Finanzamt.

Der Schulungsleiter führte für die ihn beauftragende Gesellschaft Produktschulungen für Fachhandelskunden durch. Er war der Meinung er sei damit freiberuflich tätig geworden. Das Finanzamt stufte seine Tätigkeit als gewerblich ein.

Das Finanzgericht folgte dem Finanzamt und stellt zusammenfassend fest:

Unter „Unterricht im Sinne des § 18 Abs.1 Nr.1 Satz 2 EStG (…) versteht man die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen durch Lehrer an Schüler in organisierter und institutionalisierter Form (…). Die organisierte und institutionalisierte Form des Unterrichts setzt u.a. ein auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogenes schulmäßiges Programm zur Vermittlung an den/die Lernwilligen voraus. Dies schließt einen Individualunterricht zwar nicht aus. Werden die Kenntnisse oder Erkenntnisse aber nicht aufgrund eines für das bestimmte Fachgebiet allgemeingültigen, im Einzelfall abwandlungsfähigen Lernprogramms vermittelt, sondern erfordert die Tätigkeit die Erarbeitung und Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten Programms, handelt es sich nicht mehr um eine Lehrtätigkeit in organisierter und institutionalisierter Form, sondern um eine einzelfallbezogene beratende Tätigkeit.“

Der Studienleiter hatte weiterhin geltend gemacht, dass er mit dem Verfassen der die Produktschulung begleitenden Newslettern schriftstellerisch tätig war. Auch dies lehnte das Finanzgericht ab, da die Newsletter im untrennbaren Zusammenhang mit den Produktschulungen stünden und deshalb „als gewerblich anzusehen sind“.

Das Finanzgericht hatte die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wurde seitens des Steuerpflichtigen Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass das Finanzgericht mit seinem Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweiche. Der BFH hat mit Beschluss vom 23.10.2018 (BFH VIII B 44/18) die Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, dass eine solche Abweichung zumindest hinsichtlich der Verfassertätigkeit nicht gegeben sei.

BFH: Förderung des IPSC-Schießens ist Förderung des Sports

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs erfüllt ein Verein, dessen Zweck in der Förderung des IPSC-Schießens besteht, die satzungsmäßigen Anforderungen an die Feststellung der Gemeinnützigkeit. Dies steht im Gegensatz zur Auffassung des Bundesfinanzministeriums, das laut Anwendungserlass zu § 52 AO die Förderung des IPSC-Schießens aus den gemeinnützigen Zwecken ausdrücklich ausnimmt.

Mit seinem Urteil vom 27.09.2018 (BFH, V R 48/16) entschied der BFH über die Revision eines Urteils des Niedersächsischen Finanzgerichts (siehe GEM aktuell 22/2017) das bereits festgestellt hatte, dass ein Verein, der das IPSC-Schießen fördert, mit der Förderung des Sports einen gemeinnützigen Zweck verfolgt. Die vom Finanzamt unter Beitritt des Bundesfinanzministeriums angestrengte Revision wurde zurückgewiesen.

„IPSC-Schießen ist Sport i.S. des § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 21 AO.“ urteilt der BFH. Es erfülle beide Alternativen der körperlichen Ertüchtigung: „äußerlich zu beobachtende körperliche Anstrengungen“ sowie „Geschick im Umgang mit der Waffe, Konzentrationsfähigkeit und Körperbeherrschung“.

Als Sport fördere das IPSC-Schießen auch die Allgemeinheit auf materiellem Gebiet: „Sie liegt vor, wenn die Lebensumstände der Geförderten verbessert werden und kann sich auch auf die körperliche und geistige Gesundheit beziehen.“

In seiner Beurteilung bezieht sich der BFH ausdrücklich auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD im Deutschen Bundestag („Ein Jahr nach dem Amoklauf von Winnenden: Die Wirkung des neuen Waffenrechts“, Bundestagsdrucksache 17/1305 vom 01.04.2010). Darin erklärte die Bundesregierung, dass das Bundesinnenministerium das IPSC-Schießen überprüft habe, und weist darauf hin, dass nach geltender Rechtslage kampfmäßiges Schießen verboten sei. Das IPSC-Schießen unterscheide sich „sowohl in der Planung als auch in der Durchführung und Ausgestaltung grundlegend vom Verteidigungsschießen oder kampfmäßigen Schießen (…).“ Und: „Die von IPSC-Schützen trainierte Fähigkeit, nach einer körperlichen Beanspruchung durch Laufen innerhalb kurzer Zeit viele Schüsse mit einer gewissen Präzision abzugeben, wird auch bei anderen Schießdisziplinen (z.B. Biathlon) verlangt.“

Der BFH weist darauf hin, dass das IPSC-Schießen auf der Grundlage des § 15 Waffengesetz genehmigt worden ist, und „es widerspräche dem Rechtsgedanken der ‚Einheit der Rechtsordnung‘, wenn eine staatlich genehmigte Tätigkeit zugleich geeignet wäre, die Allgemeinheit zu schädigen“.

BFH: „Unterricht“ setzt Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden voraus

Der Bundesfinanzhof hat im Zusammenhang mit „Aquafitness“-Kursen allgemeine Hinweise zur Auslegung des Begriffs „Unterrichts“ gegeben.

Mit Beschluss vom 25.10.2018 (BFH, XI B 57/18) verwies der BFH den Fall eines Anbieters von „Aquafitness“-Kursen wegen Verfahrensfehlern an die Vorinstanz zurück (FG Berlin Brandenburg; Urteil vom 09.05.2018, 2 K 2112/17).

In diesem Zusammenhang gab der BFH Hinweise zur Definition des Begriffs „Unterricht“:

  • Unterricht setzt „belehrenden Inhalt“ voraus
  • weiterhin setzt „die Steuerbefreiung für Umsätze eines Privatlehrers (…) voraus, dass die Unterrichtseinheiten zur Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler und Studierende dienen.“

Letzteres ist nach Ansicht des BFH nicht der Fall, wenn – wie im Fall der „Aquafitness“-Kursen „die Möglichkeit im Vordergrund steht, gemeinsam mit anderen Sport zu treiben“.

BFH: Politische Betätigung und Gemeinnützigkeit – Urteil zu „Attac“

26 Monate nach dem Urteil des Hessischen Finanzgerichts zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Trägervereins Attac durch das Finanzamt Frankfurt am Main hat der Bundesfinanzhof das zugunsten des Vereins gefasste Urteil des Hessischen Finanzgerichts aufgehoben. Über die Gemeinnützigkeit des Trägervereins ist damit noch nicht entschieden. Der BFH hat allerdings seine Position zum Thema „Politische Betätigung und Gemeinnützigkeit“ verdeutlicht.

Seinem Urteil vom 10.01.2019 (BFH, V R 60/17) stellt der BFH fünf Leitsätze voran, deren drei erste für das Thema Politische Betätigung und Gemeinnützigkeit von Interesse sind:

„1. Wer politische Zwecke durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i.S. von § 52 AO. Eine gemeinnützige Körperschaft darf sich in dieser Weise nur betätigen, wenn dies der Verfolgung eines der in § 52 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Zwecke dient.“

Die erste Feststellung ergibt sich daraus, dass die Förderung politischer Zwecke nicht unter den in § 52 (2) AO abschließend genannten Zwecken aufgelistet ist. Zwar ist mit der in § 52 (2) Nr. 24 AO genannten „allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens“ ein gemeinnütziger Zweck genannt, der sich unmittelbar auf den politischen Raum im engeren Sinne bezieht. Allerdings gilt die Gemeinnützigkeit der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens laut § 52 (2) Nr. 24 nicht für „Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen“, also nicht für Maßnahmen der Durchsetzung bestimmter, von den Akteuren vertretenen Einzelpositionen.

„2. Bei der Förderung der Volksbildung i.S. von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO hat sich die Einflussnahme auf die politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung auf bildungspolitische Fragestellungen zu beschränken.“

Die unter Nummer 1 dargestellten Grundsätze gelten natürlich auch für gemeinnützige Körperschaften, die die Volksbildung fördern. Hier muss sich die politische Aktion auf bildungspolitische Fragen beschränken und kann nicht ausgeweitet werden auf alle Themen, die Gegenstand der jeweiligen Bildungsmaßnahme sind.

„3. Politische Bildung vollzieht sich in geistiger Offenheit. Sie ist nicht förderbar, wenn sie eingesetzt wird, um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen.“

Eine gesonderte Betrachtung gilt der politischen Bildung. Sie ist sowohl der unter § 52 (2) Nr. 7 AO genannten Förderung der Volksbildung zuzuordnen, als auch der unter § 52 (2) Nr. 24 genannten allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens. Als politische Bildung hat die Bildung per se politische Themen zum Inhalt und bewegt sich so zwangsläufig im politischen Diskussions- und Handlungsraum.

Allerdings muss politische Bildung im gemeinnützigen Zusammenhang nach Ansicht des BFH „auf die Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins sowie auf die Diskussion politischer Fragen ‚in geistiger Offenheit‘“ zielen.

Die Förderung der politischen Bildung stellt keinen eigenen steuerbegünstigten Zweck dar, sondern steht immer im Zusammenhang mit der Förderung der Volksbildung und der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens und begründet für gemeinnützige Körperschaften insofern kein allgemeinpolitisches Mandat.

Auf Basis der dargestellten Grundsätze kritisiert der BFH die Vorinstanz (Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 10.11.2016, 4 K 179/16; siehe GEM aktuell Nr. 22/2017). Das Finanzgericht habe „die Begriffe der Volksbildung in § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO und des demokratischen Staatswesens in § 52 Abs. 2 Nr. 24 AO verkannt“. Aus Sicht des BFH steht die dem Trägerverein Attac insgesamt zugeschriebene Geschäftsführung der Anerkennung des Trägervereins als gemeinnützige Körperschaft entgegen.

Allerdings – und dies ist der Grund der Zurückverweisung an das Finanzgericht – müsse das Finanzgericht noch klären, inwieweit die aus Sicht des BFH gemeinnützigkeitskritischen Handlungen tatsächlich dem Verein als Träger des Netzwerks zuzuschreiben sind oder dem davon möglicherweise zu unterscheidenden Netzwerk selbst. Bei der Beurteilung dieser Frage sei „vorrangig auf das Handeln und die Kenntnisse der Vereinsorgane und der von ihnen beauftragten Personen abzustellen. Dabei wird das FG bei seiner Entscheidung aber auch die Selbstdarstellung des Klägers auf seiner Internetseite (…) und damit die z.B. die vom Kläger in den Streitjahren (dort) veröffentlichten Pressemitteilungen, mit denen der Kläger politische Forderungen erhoben oder sich zu eigen gemacht haben könnte, zu berücksichtigen haben.“

Die Quintessenz des Urteils ist nicht neu: Politische Interventionen gemeinnütziger Körperschaften stehen nach geltender Rechtslage ihrer Gemeinnützigkeit nur dann nicht entgegen, wenn sie sich auf die von der gemeinnützigen Körperschaft laut jeweiliger Satzung genannten Zwecke beziehen.

Innerhalb der gemeinnützigkeitsrechtlichen Regelungen lässt sich dieses Prinzip nicht aufheben. Es wäre allenfalls möglich, zur Abmilderung von Risiken bei der Mittelverwendung Nichtaufgriffsgrenzen  festzulegen. Soll eine darüber hinaus gehende allgemeine politische Intervention steuerbegünstigt sein (wie bei den Berufsverbänden und den politischen Parteien), müsste hier für ein gesonderter gesetzlicher Rahmen geschaffen werden (vgl. hierzu Ernst-Pörksen, bbe-Newsletter 14/2016).

BMF: Billigkeitsmaßnahmen bei Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern

Das Bundesfinanzministerium hat die Billigkeitsmaßnahmen bei vorübergehender Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2021 verlängert.

Mit Schreiben vom 31.07.2018 hat das BMF (BMF IV C2 – S 2730/15/10001) die Billigkeitsmaßnahmen des BMF-Schreibens vom 20.11.2014 (IV C2 – S 2730/0-01) bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2021 verlängert.

Danach ist die „vorübergehende Unterbringung in Einrichtungen steuerbegünstigter Körperschaften, die ausschließlich dem satzungsmäßigen Zweck der Körperschaft dienen (einschließl. Zweckbetriebe und Vermögensverwaltung“ als Zweckbetrieb im Sinne des § 65 bzw. § 66 AO zu behandeln.

Hinsichtlich der Umsatzsteuer gilt:

„Finden auf Leistungen dieser Einrichtungen besondere steuerliche Vorschriften Anwendung (z.B. Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nummern 18, 23 bzw. 24 UStG oder Umsatzsteuerermäßigung nach § 12 Absatz 2 Nummer 8 UStG), werden sie auch auf die Leistungen im Zusammenhang mit der vorübergehenden Unterbringung von Bürgerkriegsflüchtlingen und Asylbewerbern angewendet.“

BMF: Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)

Mit Schreiben vom 31.01.2019 (BMF IV A 3 – S 0062/18/10005) hat das Bundesfinanzministerium den Anwendungserlass zur Abgabenordnung geändert. Die Änderungen betreffen auch steuerbegünstigte Körperschaften.  

Unter den vorgenommen Änderungen sind insbesondere die folgenden von Bedeutung:

  • zu § 52 AO (Steuerbegünstigte Zwecke) wird mit Bezug auf die Freiwilligenagenturen darauf hingewiesen, dass diese regelmäßig wegen Förderung der Bildung als gemeinnützig zu behandeln sind, „weil das Schwergewicht ihrer Tätigkeit in der Aus- und Weiterbildung der Freiwilligen liegt“. Neu eingefügt ist hinsichtlich der Vermittlung von Freiwilligen der folgende Satz: „Die Vermittlung der Freiwilligen in das gewünschte Betätigungsfeld ist lediglich Endpunkt und Abschluss eines Qualifizierungsprozesses, nicht jedoch der vorrangige und überwiegende Tätigkeitsbereich.“ Hinsichtlich der Entgeltlichkeit der Vermittlung heißt es nun: „Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ist als Zweckbetrieb (§ 65 AO) zu behandeln, weil das Entgelt für die Gesamtleistung – mit Schwergewicht bei der Ausbildung – gezahlt wird.“
  • zu § 55 AO (Selbstlosigkeit) wird im Anschluss an das BFH-Urteil vom 20.03.2017 endlich deutlich gemacht, dass die Mittelverwendung nicht an der Nutzung bestimmter Geldmittel zu messen ist: „Der Zweck des Grundsatzes der zeitnahen Mittelverwendung gebietet es, dass bei der Nachprüfung der Mittelverwendung nicht auf die einzelne Zuwendung abzustellen ist, sondern auf die Gesamtheit aller zeitnah zu verwendenden Zuwendungen und sonstigen Einnahmen bzw. Vermögenswerte der Körperschaft (Saldobetrachtung bzw. Globalbetrachtung; (…)).“
  • zu § 58 Nr. 1 AO stellt der Anwendungserlass nunmehr klar, dass Fördergesellschaften nicht nur aus neu beschafften Mitteln fördern können:
    „Gemeinnützigkeitsunschädlich weitergegeben werden dürfen sämtliche Mittel, soweit die Satzung der hingebenden Körperschaft im Zeitpunkt der Weitergabe über eine entsprechende Satzungsbestimmung verfügt (Nummer 1 Satz 2 des AEAO zu § 58) und die Zwecke der hingebenden und empfangenden Körperschaft insoweit identisch sind.“
  • zu § 64 AO (Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe) legt der Anwendungserlass nun fest, dass die Herstellung Veräußerung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen eines Zweckbetriebs geschehen kann, wenn die Lieferungen und sonstigen Leistungen als „Ausfluss der beruflichen Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen“ anzusehen sind. „Dagegen wird ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 64 AO) begründet, wenn die Herstellung und Veräußerung von Waren oder die entgeltlichen Dienstleistungen den Umfang überschreiten, der zur Erfüllung der beruflichen Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen notwendig ist.“
  • zu § 68 AO (Einzelne Zweckbetriebe) sieht der Anwendungserlass nun auch Handelsbetriebe als Zweckbetriebe vor, wenn sie von den Sozialbehörden als Inklusionsbetriebe gefördert werden und zu mindesten 40% behinderte Personen beschäftigen.

Die Änderungen des Anwendungserlasses sind vor allem als Nachvollzug der in der Zwischenzeit ergangenen BFH-Urteile anzusehen.

BFH: Einheitlicher Umsatzsteuersatz bei Leistungsbündel

Im Urteil zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Leistungen eines Freizeitparks nimmt der BFH erneut Stellung zur Frage der Einheitlichkeit von Leistungen, die aus unterschiedlichen Leistungskomponenten bestehen.

In dem am 02.08.2018 entschiedenen Fall (BFH, V R 6/16) ging es um die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen eines Freizeitparks mit verschiedenen Themenbereichen.

Der Bundesfinanzhof stellt erneut klar, dass grundsätzlich jede Lieferung oder Dienstleistung als „eigene, selbständige Leistung“ zu behandeln sei.

Bei Leistungsbündeln sei „im Rahmen einer Gesamtbetrachtung“ festzustellen, ob das Bündel aus mehreren getrennt zu behandelnden Einzelleistungen besteht oder ein einheitlicher Umsatz mit mehreren Leistungselementen vorliegt.

Liegt ein einheitlicher Umsatz vor, ist  weiterhin zu unterscheiden, ob sich der einheitliche Umsatz differenzieren lässt in Haupt- und Nebenleistung oder ob das Leistungsbündel aus mehreren Teilleistungen besteht, die aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers „so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre“.

Im Falle des Freizeitparks kam es aus Sicht des vorbefassten Finanzgerichts den Besuchern „gerade auf die Kombination der durch den Vergnügungspark zusammengefassten Leistungsangebote“ an. Das Leistungsangebot war daher aus Sicht des Finanzgerichts trotz der unterschiedlichen Themenbereiche als einheitliche Leistung anzusehen. Dagegen hatte der BFH im Revisionsverfahren nichts entgegenzusetzen.

Der anzuwendende Steuersatz bestimmt sich bei einer einheitlichen Leistung nach deren Hauptbestandteil. Nach Ansicht des BFH war dies im zu entscheidenden Fall der Regelsteuersatz, weil der für Schaustellerleistungen geltende verminderte Satz nicht zur Anwendung komme, da die Schaustellerleistung im Freizeitpark ortsgebunden ist. Der in § 12 (2) Nr. 7 Buchstabe d UStG vorgesehene verminderte Umsatzsteuersatz kommt nach Ansicht des BFH nur für Schausteller zur Anwendung, die ein Reisegewerbe betreiben.

FG München: Wirtschaftliche Eingliederung bei umsatzsteuerlicher Organschaft

Nach jahrelanger Debatte um die Kriterien für die organisatorische Eingliederung bei der umsatzsteuerlichen Organschaft gerät nun die wirtschaftliche Eingliederung erneut in den Blick. Ein Urteil des Finanzgerichts München aus 2018 zeigt, dass die Vorgabe des BFH, es sei eigentlich alles zu dem Thema gesagt (es genügt „ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang“), als Handlungsorientierung zu schwach ist.

Das Finanzgericht München hat mit seinem Urteil vom 13.09.2018 (FG München, 3 K 949/16) für die für das Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft vorausgesetzte wirtschaftliche Eingliederung Kriterien formuliert. Dabei referiert das Gericht im Wesentlichen die Rechtsprechung insbesondere des Bundesfinanzhofs.

Danach müssen Tätigkeitsbereiche von Organträger und Organgesellschaft „aufeinander abgestimmt sein und sich fördern und ergänzen (…); dafür genügt ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang“.

Insgesamt trägt das Gericht zur Konkretisierung der Kriterien für eine wirtschaftliche Eingliederung nur wenig bei, weil die Kriterien letztlich unscharf bleiben: „Beruht die wirtschaftliche Eingliederung auf Leistungen des Organträgers gegenüber seiner Organgesellschaft, müssen entgeltliche Leistungen vorliegen, denen für das Unternehmen der Organgesellschaft mehr als nur unwesentliche Bedeutung zukommt.“

Das Gericht begründet dieses Kriterium insbesondere damit, dass dann der Organträger auf die Organgesellschaft Einfluss nehmen kann, für ihn also „auch aufgrund der Möglichkeit zur Beendigung dieser Leistungsbeziehung eine ‚beherrschende Stellung‘ besteht“.

Im vorliegenden Fall sah das Gericht die genannten Kriterien als nicht gegeben an. Gegen das Urteil ist Revision eingelegt (BFH V R 30/18).

EuGH: Umsatzsteuerbefreiung von Fahrschulen

Auf Antrag des Bundesfinanzhofs hat der Europäische Gerichtshof zur Umsatzsteuerbefreiung von Fahrschulen Stellung genommen. Das Urteil, noch mehr allerdings die vorbereitenden Schlussanträge des Generalanwalts und der Vorlagebeschluss des BFH selbst sind von Bedeutung für die umsatzsteuerliche Behandlung von Bildungsumsätzen, sowohl bei den Bildungsträgern als auch bei den „selbständigen Lehrern“.

Gemäß Artikel 132 (1) Buchstabe i und j der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie befreien die Mitgliedstaaten die folgenden Umsätze von der Umsatzsteuer:

„i.) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;

j) von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht“

Eine Fahrschule in Salzgitter wollte ihre Umsätze nach diesen Vorschriften von der Umsatzsteuer frei stellen. Das Finanzamt lehnte dies ab, das von der Fahrschule angerufene Finanzgericht bestätigte die Ansicht des Finanzamts. Im Rahmen des von der Fahrschule angestrengten Revisionsverfahrens beschloss der Bundesfinanzhof, dem Europäischen Gerichtshof vier Fragen vorzulegen:

  1. „Umfasst der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts (…) den Fahrschulunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B und C1?
  2. Sollte Frage 1 zu bejahen sein: Kann sich die Anerkennung der Klägerin als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung (…) aus den gesetzlichen Regelungen über die Fahrlehrerprüfung und die Erteilung der Fahrlehr- und der Fahrschulerlaubnis (…) und dem Gemeinwohlinteresse an der Ausbildung von Fahrschülern zu sicheren, verantwortungsvollen und umweltbewussten Verkehrsteilnehmern ergeben?
  3. Sollte Frage 2 zu verneinen sein: Setzt der Begriff des ‚Privatlehrers‘ (…) voraus, dass es sich bei dem Steuerpflichtigen um einen Einzelunternehmer handelt?
  4. Sollten Fragen 2 und 3 zu verneinen sein: Wird ein Unterrichtender immer dann bereits als ‚Privatlehrer‘ (…) tätig, wenn er für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt oder sind an das Merkmal ‚Privatlehrer‘ weitere Anforderungen zu stellen?“

Mit seinem Urteil vom 16.03.2017 (EuGH, C-449/17) beantwortet der EuGH lediglich die erste Vorlagefrage: Aus seiner Sicht ist der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie dahingehend auszulegen, „dass er Fahrunterricht, der von einer Fahrschule wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Hinblick auf den Erwerb der Fahrerlaubnisse für Kraftfahrzeuge der Klassen B und C1 (…) erteilt wird, nicht umfasst“.

Da er die erste Vorlagefrage negativ beurteilte, „erübrigt“ sich nach Auffassung des EuGH „eine Antwort auf die Fragen 2 bis 4“.

Allerdings sind Antworten auf die weiteren Fragen in den Schlussanträgen des Generalanwalts enthalten, der dem EuGH als Gutachter dient. Auch er beantwortet die erste Vorlagefrage negativ, nimmt aber auch zu den anderen Vorlagefragen Stellung.

Zur zweiten Vorlagefrage vertritt der Generalanwalt die Meinung, dass Einrichtungen deren Tätigkeiten nicht als Schul- und Hochschulunterricht anzusehen sind „per definitionem nicht als Einrichtung anerkannt werden, deren Zielsetzung vergleichbar ist mit derjenigen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die solchen Unterricht erteilen (…)“.

Zur Frage, ob der Begriff des „Privatlehrers“ voraussetzt, dass es sich dabei um eine natürlich Person handelt, stellt der Generalanwalt kategorisch fest: „Die grammatische Auslegung der erörterten Vorschrift schließt (…) deren Anwendung auf juristische Personen aus.“

Diese Interpretation ist von erheblicher Bedeutung für Bildungsträger, die im Auftrag anderer Bildungsträger tätig sind, die über eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b UStG verfügen. Sie ist auch deshalb von Bedeutung, weil der BFH (BFH, V R 38/16 vom 16.03.2017) in seiner Anfrage im Gegensatz zum Generalanwalt die Auffassung vertritt, dass der Grundsatz der Neutralität es verbiete, „dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleiche Umsätze bewirken, bei der Steuererhebung unterschiedlich behandelt werden“.

BFH: Umsatzsteuerliche Behandlung von Tangotanzkursen

Die umsatzsteuerliche Behandlung von Tanzkursen ist strittig. Sie gilt einerseits als Bildungsveranstaltung, wird aber andererseits dem Freizeitbereich zugeordnet. Zusätzlich ist die Mehrwertsteuersystemrichtlinie in diesem Bereich nur unzureichend in das deutsche Umsatzsteuergesetz eingearbeitet, sodass es neben der Beurteilungsproblematik im nationalen Recht auch Unklarheiten hinsichtlich der Anwendung des europäischen Rechts gibt.

Mit Urteil vom 24.01.2019 (BFH, V R 66/17) entschied der BFH, dass die bei einem Tangotanzkurs erbrachten Leistungen nur dann umsatzsteuerfrei sind, „wenn es der Kurs zumindest einzelnen Teilnehmern ermöglicht, die vermittelten Kenntnisse durch Vertiefung und Fortentwicklung auch beruflich zu nutzen“. Dabei will der BFH dies jeweils im konkreten Kurs mit den konkreten Teilnehmer/innen gewährleistet sehen.

Im Vorverfahren hatte das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (5 K 5108/15 vom 08.11.2017) nur generell darauf Bezug genommen, „dass Tanzen allgemein in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen (…) fest verankert ist und der Tangotanz im Besonderen fester Bestandteil des Hochschulsports ist“, und unter anderem mit diesem Argument die Leistungen der Tanzlehrerin von der Umsatzsteuer frei gestellt.

Aus Sicht des BFH hat das Finanzgericht „die rechtlichen Maßstäbe verkannt, die an den steuerfreien Schulunterricht zu stellen sind, den ein Privatlehrer nach der Richtlinie steuerfrei erteilen kann“. Gemeint sind die „rechtlichen Maßstäbe“ der Mehrwertsteuersystemrichtlinie.

Das Finanzgericht hatte nämlich festgestellt, dass die Leistungen der Tanzlehrerin nach nationalem Recht nicht von der Umsatzsteuer befreit sind, aber nach Artikel 132 (1) Buchstabe j der Mehrwertsteuersystemrichtlinie. Danach stellen die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Umsatzsteuer frei, sofern sich der Gegenstand der Bildung nicht bloß auf Freizeitgestaltung bezieht. Aus Sicht des BFH heißt dies: „Die Steuerfreiheit bezieht sich damit auf jegliche Aus- und Fortbildung die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat.“

Hierbei ist auf die konkrete Bildungsveranstaltung abzustellen. Im vorliegenden Fall sah der BFH die Bedingungen der Steuerbefreiung nicht erfüllt. Auch die Tatsache, dass die Tanzlehrerin eine Bescheinigung gem. § 4 Nr. 21 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb UStG vorlegen konnte, führte das Gericht nicht zu einer anderen Beurteilung, weil sich aus der Bescheinigung „nur das Vorliegen von Kursen, die dem Schul- und Bildungszweck i.S. des lebenslangen Lernens dienen“ ergäbe, „nicht aber das Vorliegen von Kursen, die (…) auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“.

Die Tangotanzlehrerin war als selbständige Tanzlehrerin für die Volkshochschule tätig. Inwieweit die Volkshochschule selbst hier umsatzsteuerbefreite Leistungen gegenüber den Kursteilnehmer/innen erbracht hat, war nicht Gegenstand der Verfahren.

EuGH: Mehrwertsteuerbefreiung für selbständige Zusammenschlüsse – Änderung des Umsatzsteuergesetzes erforderlich

Bereits 2017 hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland „gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. f“ der Mehrwertsteuersystemrichtlinie verstößt. Die daraufhin erforderliche Anpassung des Umsatzsteuergesetzes ist bis heute nicht erfolgt.

Artikel 132 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) ist überschrieben mit

Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“ und beginnt mit

Artikel 132

(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:“.

Unter den befreiten Umsätzen befinden sich unter Buchstabe f) “Dienstleistungen, die selbstständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht Steuerpflichtige sind, an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt;“

Im deutschen Umsatzsteuergesetz ist diese Bestimmung nicht umgesetzt, mit Ausnahme des § 4 Nr. 14 d) UStG, der insgesamt von heilberuflichen Leistungen handelt. Danach sind umsatzsteuerbefreit:

sonstige Leistungen von Gemeinschaften, deren Mitglieder Angehörige der in Buchstabe a bezeichneten Berufe oder Einrichtungen im Sinne des Buchstaben b sind, gegenüber ihren Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung der Tätigkeiten nach Buchstabe a oder Buchstabe b verwendet werden und die Gemeinschaft von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert“.

Dadurch wird die Umsetzung der in Artikel 132 (1) f MwStSystRL geforderten Umsatzsteuerbefreiung auf die Leistungen von Gemeinschaften beschränkt, deren Mitglieder bestimmte heilberufliche Leistungen erbringen bzw. entsprechende Berufe ausüben. Dem Bildungs-, Sozial und Kulturbereich ist diese Umsatzsteuerbefreiung verwehrt.

Hiergegen wandte sich die EU-Kommission bereits 2009 mit einem an die Bundesregierung gerichteten Mahnschreiben. Nach erfolgloser Debatte mit der Bundesregierung reichte die Kommission im November Klage beim EuGH ein.

Mit seinem Urteil vom 21.09.2017 gab der EuGH (EuGH C-616/15) der EU-Kommission mit der Einschränkung Recht, dass die Umsatzsteuerbefreiung nur Gemeinschaften zu gewähren ist, „deren Mitglieder dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten ausüben“. Insbesondere die Finanz- und Versicherungsbranche ist danach von der Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 132 (1) f) MwStSystRL ausgeschlossen.

Die Bundesregierung muss hier also eine entsprechende Anpassung des Umsatzsteuergesetzes durchführen, dies wäre z.B. im Rahmen eines „Jahressteuergesetzes 2019“ möglich.