Jahressteuergesetz 2019: Wichtige Änderungen im Umsatzsteuergesetz
Das im Dezember 2019 verkündete „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ gilt als Jahressteuergesetz 2019, weil es neben dem im Titel genannten Thema in insgesamt 39 Artikeln in einer Vielzahl von Gesetzen steuerlich relevante Änderungen einführt. Gemeinnützige Körperschaften sind insbesondere von Änderungen des Umsatzsteuergesetzes betroffen, die bereits 2020 zum Tragen kommen.
Die Änderung des § 4 Nr. 18 UStG folgt einem Muster, das sich auch in den Änderungen der anderen nachfolgend genannten Regelungen wiederfindet:
Bestimmte Leistungen sind zukünftig von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden oder von „anderen Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben“.
Dieses Kriterium ist in seiner Beschreibung an die Formulierungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie angelehnt und wird in seiner Unschärfe zu einer Vielzahl von Interpretationsversuchen und Auseinandersetzungen mit den Finanzbehörden und über kurz oder lang zu einer erneuten gesetzlichen Anpassung führen.
So sind gemäß § 4 Nr. 18 UStG nunmehr von der Umsatzsteuer befreit:
„eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen, wenn diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, erbracht werden. Etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden. Für in anderen Nummern des § 4 bezeichnete Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht“.
Die Mitgliedschaft in einem Wohlfahrtsverband ist also nicht mehr Voraussetzung für die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG. Damit werden einzelne gemeinnützige Leistungsanbieter aus der Umsatzsteuerbefreiung herausfallen, soweit sie die Umsatzsteuerfreiheit ihrer Leistungen bisher über die Mitgliedschaft in einem Wohlfahrtsverband begründet haben. Andere, die zugunsten einer Umsatzsteuerpflicht bewusst die Mitgliedschaft in einem Wohlfahrtsverband gemieden haben, werden ab 2020 möglicherweise umsatzsteuerbefreite Leistungen erbringen, damit verbunden aber auch die Berechtigung zum Vorsteuerabzug verlieren.
Neben der Frage der „systematischen Gewinnerzielung“ wird die Frage, ob die erbrachte Leistung im Einzelnen „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit“ verbunden ist, zu beantworten sein.
Fraglich ist auch, ob im gemeinnützigen Konzern die Ausschüttung von Gewinnen zum Verlust der Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr. 18 UStG führen wird.
Neu gefasst sind auch die Regelungen des § 4 Nr. 23 UStG und des § 4 Nr. 25 UStG. Auch hier ist es erforderlich, dass sich die gemeinnützigen Anbieter von Erziehungs- und Betreuungsleistungen sowie von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe der jeweiligen umsatzsteuerlichen Behandlung ihrer Leistungen neu vergewissern und gegebenenfalls Anpassungen vornehmen.
Mehr als zuvor wird es erforderlich sein, neben der unmittelbaren Gesetzesformulierung auf die jeweilige Begründung der gesetzlichen Neuregelung im Regierungsentwurf des Gesetzes Bezug zu nehmen.
In ihrer praktischen Bedeutung für gemeinnützige Körperschaften noch schwer einzuschätzen ist die mit § 4 Nr. 29 UStG neu eingeführte Umsatzsteuerbefreiungsregelung, nach der „sonstige Leistungen von selbständigen, im Inland ansässigen Zusammenschlüssen von Personen“ von der Umsatzsteuer befreit sind, „deren Mitglieder eine dem Gemeinwohl dienende nichtunternehmerische Tätigkeit oder eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, die nach den Nummern 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 von der Steuer befreit ist, gegenüber ihren im Inland ansässigen Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeiten verwendet werden und der Zusammenschluss von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt“. Auch hier wird sich erst mit der Zeit zeigen, wie die der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entlehnte Kategorie des „Gemeinwohls“ umsatzsteuerlich zu interpretieren ist.
Drittes Bürokratieentlastungsgesetz: Erhöhung der Kleinunternehmergrenze
Das im Oktober 2019 vom Bundestag verabschiedete Dritte Bürokratieentlastungsgesetz („Drittes Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie“) berührt wie das Jahressteuergesetz 2019 mehrere Gesetze (Bundesmeldegesetz, Insolvenzstatistikgesetz, Entgeltfortzahlungsgesetz etc.) und führt in einer ganzen Reihe von Bereichen die Möglichkeit elektronischer Meldungen ein. Nicht in allen Fällen wird dies im Ergebnis als bürokratieentlastend empfunden werden. In steuerlicher Hinsicht gibt es vor allem bei der Umsatzsteuer hilfreiche Neuregelungen.
Probeweise abgeschafft (2021 bis 2026) wird in § 18 UStG, dass bei Neugründungen unabhängig vom konkreten Umsatz der monatliche Voranmeldungszeitraum für die Umsatzsteuervorauszahlung gilt. Ab 2021 gelten die allgemeinen Regelungen des § 18 UStG (Voranmeldungszeitraum ist das Kalendervierteljahr; er ist monatlich, wenn die abzuführende Umsatzsteuer des Vorjahres 7.500 Euro übersteigt; übersteigt die abzuführende Umsatzsteuer des Vorjahres nicht 1.000 Euro entfällt die Pflicht zur Abgabe von Voranmeldungen). Bei Neugründungen wird nun im Gründungsjahr die voraussichtliche Jahressteuer zugrunde gelegt und im Folgejahr die zeitlich hochgerechnete tatsächliche Steuer des Gründungsjahrs.
Bereits ab 2020 gilt die Erhöhung der Kleinunternehmergrenze auf 22.000 Euro (bisher 17.500 Euro). Kleinunternehmer in 2020 sind also Unternehmer deren steuerpflichtiger Gesamtumsatz in 2019 22.000 Euro nicht übersteigt.
Bundesrat: Aufforderung an die Bundesregierung, das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht fortzuschreiben
Spätestens seit Beginn letzten Jahres kursieren Botschaften, „interne“ Papiere und Ankündigungen hochrangiger Mitarbeiter des Bundesfinanzministeriums, die darauf hindeuten, dass weitgreifende Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts bevorstehen. Vom „Großen Wurf“ ist die Rede. Allerdings enthält das Jahressteuergesetz 2019 davon nichts. Dies bedauert der Bundesrat in seiner Entschließung vom 29.11.2019 (Drucksache BR 552/19 neu) und mahnt konkrete Veränderungen an.
Mit Blick auf das verabschiedete Jahressteuergesetz 2019 „bedauert“ der Bundesrat in seiner Entschließung, „dass die von ihm eingebrachten Änderungsanträge im Bereich des Ehrenamts in diesem Gesetzgebungsverfahren nicht aufgegriffen worden sind“ und fordert, dass diese Änderungsvorschläge nachträglich „mit Wirkung zum 1. Januar 2020 umgesetzt werden“.
Zu diesen Vorschlägen zählt der Bundesrat insbesondere:
- die Abschaffung der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung bei jährlichen Einnahmen bis zu 45.000 Euro
- Einführung einer „Ehrenamtskarte, beispielsweise für die freien Eintritte in Museen, Schwimmbäder oder andere öffentliche Einrichtungen
- Erhöhung der „Übungsleiterpauschale“ auf 3.000 Euro und der „Ehrenamtspauschale“ auf 840 Euro
- Anhebung der Freigrenze bei steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben von derzeit 35.000 Euro auf 45.000 Euro
- Ausweitung des Anwendungsbereichs für das vereinfachte Spendenbescheinigungsverfahren.
Das Bundesfinanzministerium hat zwar bereits weitergehende Vorstellungen geäußert, steckt aber offensichtlich fest in offenen Koalitionsfortführungsdebatten und insbesondere in der Frage, wie mit dem Thema „Politische Intervention von gemeinnützigen Körperschaften“ umzugehen sein soll. Hier und da ist zu hören, dass dieses Thema abgekoppelt werden soll, weil kurzfristig keine tragfähige Lösung in Sicht ist.
BFH: Neue Verwirrung zum Umsatzsteuersatz bei Zweckbetrieben
Die vor vielen Jahren einmal geltende Regel „wenn Zweckbetrieb, dann ermäßigter Umsatzsteuersatz“ sitzt immer noch tief in den Köpfen von Geschäftsführer/innen gemeinnütziger Körperschaften und auch deren Berater/innen. Allerdings gilt diese Regel schon lange nicht mehr: § 12 (2) Nummer 8 UStG beschreibt bereits seit Ende 2006 in eher unscharf gehaltenen Kriterien die Bedingungen für das Vorliegen von Zweckbetriebsumsätzen zum verminderten Steuersatz. Der Bundesfinanzhof hat nun für weitere Verwirrung gesorgt, indem er bei den Leistungen eines zu Integrationszwecken unterhaltenen Zweckbetriebs unterstellt, dass dessen Leistungserbringung in erster Linie den Interessen der Kunden des Zweckbetriebs dient und nicht den Teilnehmer/innen.
Seinem Urteil vom 23.07.2019 (BFH XI R 2/17) stellt der BFH folgenden Leitsatz voran:
„Die Umsätze, die ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens aus Gastronomieleistungen und der Zurverfügungstellung einer öffentlichen Toilette erzielt, sind selbst dann nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt zu besteuern, wenn diese Leistungen der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke gedient haben.“
Der angesprochene gemeinnützige Verein führt eine Behindertenwerkstatt sowie zusätzlich ein Bistro und eine öffentliche Toilette und setzt dabei drei behinderte Personen ein. Die Ausstattung der in Bistro und Toilette für behinderte Menschen geschaffenen Arbeitsplätze sind vollständig und auf Basis personenbezogener Zuwendungsbescheide vom Integrationsamt gefördert worden.
Der Verein belegte die von Bistro und Toilette erzielten Umsätze mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz, das Finanzamt sprach beiden Tätigkeitsfeldern die Zweckbetriebseigenschaft ab, die dagegen vor dem Finanzgericht vorgebrachte Klage hatte keinen Erfolg. Allerdings begründete die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg 5 K 5372/14 vom 07.11.2016; siehe GEM aktuell 23/2017) die Ablehnung der Klage damit, dass es im Betreiben von Bistro und Toilette keinen Zweckbetrieb sah (fehlender Bescheid des Integrationsamts zur Anerkennung eines Integrationsprojekts/Integrationsbetriebs).
Der BFH geht in seinem Urteil im Unterschied zum Finanzgericht davon aus, dass es sich bei Bistro und Toilette sehr wohl um Zweckbetriebe im Sinne des § 68 Nr. 3 c) AO handelt (Inklusionsbetrieb), weist die Klage aber dennoch ab, weil
- die strittigen Umsätze für den Verein zur Erfüllung seiner Satzungszwecke „nicht unerlässlich“ waren,
- der Verein mit den Umsätzen des Bistros und der öffentlichen Toilette in Wettbewerb mit anderen Unternehmen tritt, die vergleichbare Leistungen anbieten und
- mit dem Verkauf der Gastronomieleistungen und der Zurverfügungstellung der Toilette „nicht die satzungsmäßigen Zwecke des Klägers ‚selbst verwirklicht‘“ werden.
„Begünstigt“ – so der BFH – „wären nur Leistungen gegenüber den behinderten Personen, aber nicht solche Leistungen, an deren Erbringung behinderte Arbeitnehmer des Integrationsunternehmens teilhaben (…).“
Der BFH interpretiert auf diese Weise den Wortlaut der umsatzsteuerlichen Regelung:
Gemäß § 12 (2) Nr. 8 a) UStG ermäßigt sich der Umsatzsteuersatz auf 7% bei Leistungen von Zweckbetrieben nur dann, „ wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht“.
Die Argumentation des BFH folgt also folgender Linie:
- die Leistungen sind für den Verein zur Erfüllung seiner Satzungszwecke „nicht unerlässlich“ (TZ 20 a) des Urteils, ohne Begründung dieser Ansicht)
- damit dienen die Leistungen der Erzielung zusätzlicher Einnahmen
- der Verein steht mit diesen Leistungen im Wettbewerb zu nicht begünstigten Unternehmen, die vergleichbare Leistungen erbringen
- die Nummern 1 bis 3 wären nur vereinbar mit den Vorgaben des § 12 (2) Nr. 8 a) UStG, wenn der Verein mit den Leistungen seine „steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht“
- dies ist nach Ansicht des BFH im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil die strittigen Leistungen „in erster Linie den Zwecken der Besucher (Verbraucher) und der Nutzer (dienen), die nicht vom gemeinnützigen Zweck der Einrichtung des Klägers erfasst werden“.
Der BFH verkennt in seiner Urteilsbegründung die Idee des § 68 Nr. 3 c) AO, der davon ausgeht, dass Inklusionsbetriebe zum Zweck der Förderung der in ihnen tätigen Personen geführt werden, nicht zum Zweck der Dienstleistungserbringung zugunsten der Kunden. Dass diese Förderung dennoch die Leistungserbringung für eine außerhalb des Betriebs existierende Kundschaft voraussetzt, scheint der BFH zu übersehen. Er geht damit am Kern der Sache vorbei.
Möglicherweise hat sich der BFH dafür aber auch gar nicht interessiert. Das gesamte Urteil liest sich so, als hätte der XI. Senat des BFH auf einen solchen Fall gewartet, um die nach seiner Ansicht gegebene Unvereinbarkeit des § 12 (2) Nr. 8 a) UStG mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie darstellen und damit in eine seit mehreren Monaten schwelende Debatte um die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen von Inklusionsbetrieben eingreifen zu können. In diesem Fall aber könnte der XI. Senat seine Kompetenz überschritten haben und anstelle eines die rechtliche Lage verwirrenden Urteils eine Vorabanfrage an den EuGH stellen müssen. Möglicherweise erfolgt die weiterführende rechtliche Auseinandersetzung auf dieser Ebene.
Aktuell – und solange das Urteil nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde – gilt der Umsatzsteueranwendungserlass (Abschnitt 12.9 zu § 12 (2) Nr. 8 a) UStG), kein sicheres Terrain, aber differenzierter in seinen Ausführungen.
FG Düsseldorf: Konkurrentenklage gegen Zweckbetrieb
In der Regel werden wettbewerbsrechtliche Zweifelsfragen in Zweckbetriebsfällen zwischen der steuerbegünstigten Körperschaft und dem Finanzamt abgehandelt. Das Finanzgericht Düsseldorf hatte im Herbst 2019 dagegen über die Klage eines Konkurrenten gegen das Finanzamt zu entscheiden. Ziel der Klage: Änderung der Steuerbescheide für den steuerbegünstigten Träger und Festsetzung von Körperschaft- und Gewerbesteuer auf den Gewinn des bisher beim steuerbegünstigten Träger als Zweckbetrieb behandelten wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs.
Die Klägerin ist ein Dienstleistungsunternehmen, die gemeinnützige Körperschaft fördert das Wohlfahrtswesen und ist Gesellschafterin einer nicht gemeinnützigen GmbH. Das Finanzamt behandelt die betrieblichen Aktivitäten der gemeinnützigen Muttergesellschaft als Zweckbetrieb.
Die Klägerin verweist darauf, dass die Steuerbegünstigung der gemeinnützigen Konkurrentin „mittelfristig existenzgefährdend“ sei. Hinzu komme, dass die gemeinnützige Körperschaft mit ihrer nicht gemeinnützigen Tochtergesellschaft als Bietergemeinschaft in Vergabeverfahren aufgetreten sei. Die tatsächliche Geschäftsführung der gemeinnützigen Körperschaft sei „im Ganzen auf eine Maximierung von Gewinn/Rendite gerichtet“.
Das Finanzgericht Düsseldorf (Urteil vom 3.9.2019; 6 K 3315/17 K,G) ließ die Klage zu. Argument: „Wird (…) ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu Unrecht nicht besteuert, kann dies zu einer Verletzung von Rechten der Mitbewerber führen (…).“
Das Finanzgericht hielt die Klage außerdem für begründet. Die als gemeinnützig behandelte Körperschaft betreibe keinen Zweckbetrieb der Wohlfahrtspflege. Die in den fraglichen Veranlagungszeiträumen erzielten Gewinne seien größer als der von der Körperschaft dargestellte „konkrete Finanzierungsbedarf“.
„Zudem“, so der Abschluss des Urteils, „führt das enge Zusammenwirken einer GmbH, die gemeinnützig sein will, mit einer gewerblichen Tochtergesellschaft, um ein komplexes Leistungspaket anzubieten, nach Auffassung des Senats bereits dazu, dass die Gewerblichkeit der Tochtergesellschaft auf die Mutter ‚abfärbt‘ und diese allein deshalb nicht gemeinnützig sein kann.“
FG Düsseldorf: Betrieb der Behinderten- und Altenpflege wegen zu hoher Gewinne nicht gemeinnützig
Der im Gefolge der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den Rettungsdiensten geänderte Anwendungserlass zur Abgabenordnung interpretiert das Kriterium der Selbstlosigkeit im Falle von Zweckbetrieben der Wohlfahrtspflege (§ 66 AO) gesondert von den übrigen Zweckbetrieben. Nicht auf einen gewerblichen Zweck gerichtet zu sein, bedeutet laut Anwendungserlass im Falle von Zweckbetrieben der Wohlfahrtspflege, dass die erzielten Überschüsse den notwendigen Finanzierungsbedarf dieser Geschäftsbetriebe nicht übersteigen darf. Tut er dies in drei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren doch, soll davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsbetrieb um des Erwerbs wegen ausgeübt wird und er deshalb nicht als Zweckbetrieb zu behandeln ist.
Vor diesem Hintergrund entschied das Finanzgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 12.04.2019 (FG Düsseldorf, 6 K 3664/16 K,F,AO), dass das Finanzamt einen Träger der Behinderten- und Altenpflege zu Recht nicht als gemeinnützig anerkannt hat. Zwei Gründe werden hierzu angeführt:
Erstens hatte die Körperschaft ihrem Geschäftsführer gegenüber unentgeltliche Pflegleistungen erbracht. Dies bewerteten Finanzamt und Finanzgereicht als verdeckte Gewinnausschüttung.
Zweitens erzielte die Körperschaft aus der Bereitstellung und Organisation eines ambulanten sozialen Pflege- und Assistenzdienstes und durch die Trägerschaft von Pflegeeinrichtungen Überschüsse, die nach Ansicht von Finanzamt und Finanzgericht den konkreten Finanzierungsbedarf der Einrichtungen überstiegen hatten.
„Die Feststellungslast“ – so das Finanzgericht – „für das Vorliegen eines Zweckbetriebes trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Steuerpflichtige, der die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen möchte.“ Dies ist nach dem Steuerpflichtigen im vorliegenden Fall nach Ansicht des Gerichts nicht gelungen: die Überschüsse überstiegen in drei aufeinanderfolgenden Jahren den unmittelbaren Finanzierungsbedarf, die Notwendigkeit des Umfangs der gebildeten Betriebsmittelrücklagen konnte nicht nachgewiesen werden.
Generell geht das Gericht davon aus, dass eine Tätigkeit „nach der Rechtsprechung des BFH in ihrer Gesamtrichtung nur dann den steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecken (dient), wenn (…) sich das erhobene Entgelt (…) an dem Prinzip der Kostendeckung orientiert“.
Das im grundlegenden Schreiben des BMF zu § 66 AO genannte Kriterium, ob die erhobenen Entgelte auf staatlich festgesetzten Preisen beruhen, spielt in der Entscheidung des Finanzgerichts keine Rolle.
Wie unscharf die Kriterien für die Zweckbetriebseigenschaft in der Wohlfahrtspflege inzwischen sind, zeigt die Anmerkung des vorsitzenden Richters zum dargestellten Urteil:
„Insbesondere bei der steuerlichen Beratung bisher als gemeinnützig anerkannter GmbHs, deren Unternehmensgegenstand mit dem von gewerblichen Unternehmen identisch ist (z.B. Betrieb von Pflegediensten, Pflegeheimen, Kindergärten, Rettungsdiensten), wird man verstärkt darauf achten müssen, dass bei Nachfragen der Finanzbehörden konkret dargelegt und nachgewiesen werden kann, wie Preise kalkuliert wurden, in welchem Umfang Gewinne notwendig sind, um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen vornehmen zu können, und aus welchen Gründen kalkulierte Einnahmen übertroffen wurden.“
FG Münster: Zuordnung von Zuschüssen zu den steuerlichen Bereichen gemeinnütziger Körperschaften
Je komplexer die Einnahmenstruktur gemeinnütziger Körperschaften ist, um so mehr stellt sich auch die Frage, welchem der steuerlich zu unterscheidenden Bereiche einer gemeinnützigen Körperschaft Zuwendungen/Zuschüsse zuzurechnen sind.
Das Finanzgericht Münster hatte die Klage eines gemeinnützigen Vereins zu behandeln (FG Münster 10 K 477/16 K,G,F vom 24.05.2019) bei dem es um die Zuordnung erhaltener Zuschüsse ging.
Der Verein fördert u.a. den Naturschutz, den Umweltschutz und die Landschaftspflege. Er erhielt einen Zuschuss als Festbetrag vom Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westphalen. Der Zuschuss war zweckgebunden und für die Redaktion, die Herstellung und den Versand eines Mitteilungsblatts für Jäger sowie für Personal- und Sachausgaben der Geschäftsstelle zu verwenden. Zusätzlich erzielte der Verein Einnahmen aus Eintrittsgeldern aus Veranstaltungen, aus Sponsoring, Verkaufsabrechnungen und Provisionen sowie aus Mieten und Zinsen.
Den Zuschuss ordnete der Verein vollständig dem ideellen Bereich, die Ausgaben für Geschäftsstelle und Mitteilungsblatt auch anteilig dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu.
Das Finanzamt behandelte die Aufwendungen für das Mitteilungsblatt als „gemischte Aufwendungen“ und berücksichtigte sie deshalb nicht bei der Gewinnermittlung des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Den Zuschuss zu den Personal- und Sachausgaben der Geschäftsstelle behandelte das Finanzamt anteilig als Betriebseinnahmen des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und wies die Aufwendungen der Geschäftsstelle mit dem gleichen prozentualen Anteil ebenfalls dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb als Betriebsausgaben zu.
Der Verein wendete sich im Einspruchsverfahren dagegen und blieb bei seiner Auffassung, dass der Zuschuss insgesamt dem ideellen Bereich zuzuordnen sei, die Aufwendungen der Geschäftsstelle anteilig dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
Im Einspruchsverfahren gestand das Finanzamt dem Verein weiteren Betriebsausgabenabzug in Höhe von 5% der Aufwendungen für das Mitteilungsblatt zu. Dem Verein genügte das nicht, und er reichte Klage beim Finanzgericht ein.
Das Gericht gab dem Verein Recht: Der Zuschuss war vollständig dem ideellen Bereich zuzuordnen, die Aufwendungen waren anteilig dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzurechnen.
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Zuschuss dem ideellen Bereich zuzuordnen sei, weil er durch diesen „veranlasst“ gewesen sei. Die Förderung sei nach der Intension des Zuwendungsgebers auf Mitteilungsblatt und Geschäftsstelle gerichtet gewesen, nicht aber auf die betrieblichen sonstigen Aktivitäten des Vereins. „Nur die gemeinnützige Tätigkeit“ des Vereins sollte gefördert werden. Schon deshalb konnte der Zuschuss nicht durch den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb veranlasst gewesen sein. Die Aufwendungen der geförderten Bereiche seien zudem größer gewesen als der Zuschuss.
Zur Abzugsfähigkeit der anteiligen Aufwendungen hält sich das Gericht knapp und allgemein:
„Die fehlende betriebliche Veranlassung der Zuschüsse führt (…) nicht dazu, dass (…) die Betriebsausgaben nicht abgezogen werden können. Ein Korrespondenzverhältnis zwischen den Zuschüssen und den Betriebsausgaben besteht nicht. Dies folgt schon daraus, dass die Zuwendungen nicht für den Geschäftsbetrieb gedacht waren.“
Auch wenn das Urteil nicht auf jede Form der Zuwendungen/Zuschüsse anzuwenden ist, zeigt es dennoch, dass der Frage, welchem gemeinnützigkeitsrechtlichen Bereich Zuwendungen/Zuschüsse jeweils zuzurechnen sind, große Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Das interne Rechnungswesen kann dem am besten durch die Nutzung von Kostenstellen nachkommen. Dabei ist zu beachten, dass vom einzelnen Sachverhalt auszugehen ist, insbesondere von den Rechtsgrundlagen der jeweiligen Zuwendung. Die Vorstellung, Zuschüsse seien immer gemeinsam mit den Ausgaben aufzuteilen ist dabei ebenso falsch, wie die noch mehr verbreitete Auffassung, Zuwendungen seien immer dem ideellen Bereich zuzuordnen.
BMF: Fristverlängerung beim Einsatz elektronischer Kassen
Die in 2016 beschlossene gesetzliche Neuregelung zu digitalen Grundaufzeichnungen verpflichtet ab dem 01.01.2020 die Nutzer elektronischer Aufzeichnungssysteme (z.B. elektronischer Kassen) System und Aufzeichnungen durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung zu schützen (§ 146a AO). Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums hat durch eine „Nichtbeanstandungsregelung“ faktisch die Frist für die Einführung des Sicherungssystems bis zum 30.09.2020 verlängert.
Mit seinem Schreiben vom 06.11.2019 (BMF IV A 4 – 2019/891800) hat das BMF mitgeteilt, dass „zur Umsetzung einer flächendeckenden Aufrüstung elektronischer Aufzeichnungssysteme im Sinne des § 146a AO es nicht beanstandet (wird), wenn diese elektronischen Aufzeichnungssysteme längstens bis zum 30. September 2020 noch nicht über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen.
Allerdings stellt das Schreiben auch fest: „Die Belegausgabepflicht nach § 146a Absatz 2 AO bleibt hiervon unberührt.“
GoBD: Neues BMF-Schreiben. Wer kennt das alte?
GoBD steht für „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“. Zu 184 Textziffern hat das Bundesfinanzministerium mit Datum vom 28.11.2019 (BMF IV A 4 – 2019/0962810) auf 43 Seiten diese Grundsätze neu formuliert. Das Schreiben gilt ab 01.01.2020 und löst das Schreiben vom 14.11.2014 ab.
„Die GoB sind ein unbestimmter Rechtsbegriff“, heißt es in dem BMF-Schreiben, und wesentliche Teile des Schreibens versuchen, den Begriff zu entfalten und praktisch handhabbar zu machen.
Nach einer Darstellung der rechtlichen Verankerung steuerlicher und außersteuerlicher Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten und der definitorischen Beschreibung der Kernkategorien (Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftsvorfälle etc.) werden die allgemeinen Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit manuell und elektronisch geführter Bücher (Vollständigkeit, Einzelaufzeichnungspflicht, Richtigkeit etc.) dargestellt.
Es folgen Kapitel unter anderem über Belegwesen, Grundaufzeichnungen, Internes Kontrollsystem, Datensicherheit und Aufbewahrung. Auch die Rechte der Finanzbehörde auf Datenzugriff werden dargestellt.
Die Lektüre des BMF-Schreibens ist all jenen dringend angeraten, die Verantwortung tragen für Organisation und Durchführung des betrieblichen Rechnungswesens. Sie hält auch einige Überraschungen bereit, was die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Buchführung in elektronischer Form betrifft.
Für gemeinnützige Körperschaften wird das Thema wichtiger, weil die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung bei Betriebsprüfungen auch als Kriterium herangezogen wird, wenn es um die Frage geht, ob die Körperschaft nachweisen kann, ob und in welcher Weise sie die Regelungen des Gemeinnützigkeitsrechts beachtet hat.
BMF: Änderungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO)
Kurz vor Jahresende 2019 wurden Änderungen des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung beschlossen, die auch für steuerbegünstigte Körperschaften von Bedeutung sind.
Mit Schreiben vom 20.12.2019 hat das Bundesfinanzministerium u.a. die folgenden Änderungen des AEAO bekannt gegeben:
Zu § 55 AO (Selbstlosigkeit) wird unter Nummer 10 folgender Abschnitt eingefügt:
„Veräußert ein steuerpflichtiger Anteilseigner seine Anteile an einer steuerbegünstigten Kapitalgesellschaft an einen steuerbegünstigten Erwerber, liegt regelmäßig eine Mittelfehlverwendung im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO vor, wenn der Veräußerungspreis über dem Wert der eingezahlten Kapitalanteile und dem gemeinen Wert der Sacheinlagen der Anteile liegt (…).“
Es ist zwar anzunehmen, dass die Einfügung bei der gewählten Begrifflichkeit in Umkehrschlüssen bedeutet, dass die Finanzverwaltung die Veräußerung zu einem höheren als dem Nominalwert dann gemeinnützigkeitsrechtlich für unproblematisch hält, wenn Käufer und Verkäufer steuerbegünstigt oder jeweils beide steuerpflichtige Personen sind. Dennoch ist bei derartigen Transaktionen generell Vorsicht geboten und das Finanzamt im Vorhinein einzubeziehen.
Eine weitere Änderung betrifft Abschnitte zu § 67a AO (zweckbetriebsunschädliche Zahlungen an Amateursportler).
Abschnitt Nummer 2 zu § 68 AO liefert eine neue Beschreibung der in § 68 Nr. 2 AO als Zweckbetriebe benannten Alten-, Altenwohn- und Pflegeheime.
FG Düsseldorf: Anforderungen an die Satzung steuerbegünstigter Körperschaften
Satzungsfragen sind regelmäßig Diskussionsthemen zwischen steuerbegünstigten Körperschaften und Finanzamt. Dabei geht es meistens um die Formulierung der geförderten Satzungszwecke, weil in diesem Bereich auch subjektiv geprägte sprachliche Anforderungen an die Beschreibung der vorgesehenen Handlungsformen eine Rolle spielen. Mitunter geht es aber auch um die formell geregelten Satzungsbestandteile, die in der Mustersatzung zu § 60 AO geregelt sind. Dabei geht es auch immer wieder um die Frage, ob die Formulierungen der Mustersatzung „wortwörtlich“ zu übernehmen sind.
In seinem Urteil vom 20.08.2019 bestätigt das Finanzgericht Düsseldorf (FG Düsseldorf, 6 K 481/19 AO) die inzwischen mehrfach bestätigte Auffassung, dass eine steuerbegünstigte Körperschaft die Mustersatzung nicht wörtlich übernehmen muss, vielmehr die Satzung der steuerbegünstigten Körperschaft nur die in der Mustersatzung enthaltenen „Festlegungen enthalten“ muss.
Allerdings dürfe – so das Gericht – auf die Formulierung, dass die Körperschaft nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, nicht verzichtet werden.
Die Klage eines Vereins, der die verlangte Formulierung mit dem Argument nicht aufnehmen wollte, weil sie inhaltlich bereits in der Formulierung enthalten sei, dass der Verein „selbstlos tätig“ sei, wurde abgelehnt. Allerdings wurde die Revision zugelassen, da nach Ansicht des Gerichts, „die Rechtsfrage, ob und inwieweit Formulierungen der Mustersatzung sich in Satzungen wiederfinden müssen, um die Anerkennung als gemeinnützig zu erreichen, angesichts der Vielzahl von gemeinnützigen Körperschaften von grundsätzlicher Bedeutung ist“.